Maria Anna Mozart


Maria Anna Walpurga Ignatia (Nannerl) Mozart wurde in der Nacht vom 30. zum 31. Juli 1751 als viertes und erstes überlebendes Kind des Hofviolinisten Leopold Mozart (1719-1787) und seiner Gattin Anna Maria Walpurga (geb. Pertl, 1720-1778) in Salzburg geboren.


Über die ersten Lebensjahre des Mädchens ist nicht viel bekannt. Maria Anna genoss ebenso wie ihr um fünf Jahre jüngerer Bruder Wolfgang Amadé (1756-1791) in ihrem Elternhaus schon früh eine gute Allgemeinbildung sowie intensiven Klavierunterricht. Anlässlich ihres Namenstages am 26. Juli 1759 legte ihr der Vater ein Notenbuch an, das als „Nannerl-Notenbuch“ bekannt ist.

 

Ab Jänner 1762 unternahm Leopold Mozart mit seinen beiden („Wunder-“) Kindern Reisen, um deren Talent an den europäischen Höfen vorzustellen. Die Erfolge am Münchner und Wiener Hof veranlassten ihn, mit der gesamten Familie eine beschwerliche, dreijährige Konzertreise (Juni 1763 bis November 1766) zu unternehmen, die sie über Deutschland nach Frankreich, England, Holland und in die Schweiz führte. Die Erlebnisse auf dieser „Tournee“, die Maria Anna Mozart in ihren Reisenotizen niederschrieb, übten nachhaltigen Eindruck auf das Mädchen aus. Sie erregte neben ihrem Bruder Wolfgang durch ihr Klavierspiel überall größte Aufmerksamkeit und ist zu dieser Zeit die erste europaweit konzertierende Pianistin.

 

„Stellen Sie sich einmal ein Mägden von 11 Jahren vor, das die schweresten Sonaten und Concert der grösten Meister auf dem Clavessin oder Flügel auf das Deutlichste, mit einer kaum glaublichen Leichtigkeit fertiget und nach dem besten Geschmack wegspielt. Das muß schon viele in eine Verwunderung sezen.“ (Augsburgischer Intelligenz-Zettel, 19. Mai 1763)

 

Nachdem sie dem Wunderkindalter entwachsen und eine berufliche Pianisten-Laufbahn für sie kaum möglich gewesen wäre, da der öffentliche Konzertbetrieb noch nicht so weit entwickelt war, nahm Maria Anna nur noch 1768 an einer Konzertreise nach Wien teil. Während der Vater ihren Bruder Wolfgang auf weiteren Reisen nach Italien förderte, wurde sie von der Mutter mit den Tätigkeiten einer Hausfrau vertraut gemacht. Ihre Haupttätigkeit blieb allerdings die einer Musikerin: Sie spielte für durchreisende Bekannte und Gäste, begleitete Sänger, die ihre Rollen lernen mussten und gab zwischen 1772 und 1784 zahlreichen Töchtern des Salzburger Bürgertums und Adels Klavierunterricht, wobei sie entscheidend zum Einkommen der Familie beitrug. Ihr damals noch sehr junger Schüler Joseph Wölfl, der "Verwalter-Sepperl" der Mozartbriefe, wurde später als Pianist und Komponist europaweit berühmt. Außerdem spielte sie als Klavier-Solistin im Salzburger Kontext.  Leopold Mozart dürfte seine Tochter überdies in Tonsatz und Musiktheorie unterrichtet haben. Sie unternahm Kompositionsversuche, die leider nicht überliefert sind, jedoch das Lob des Bruders fanden:  „Ich habe mich recht verwundert, daß du so schön Componiren kanst, mit einem wort, das lied ist schön, und probiere öfter etwas.“ (Mozart an seine Schwester, 7. Juli 1770)

 

Letzte Reisen führten Maria Anna Mozart 1775 nach München zur Uraufführung der Oper „La finta giardiniera“ ihres Bruders und 1781 zu der des „Idomeneo“. 1777 musste sie nach der Abreise von Bruder und Mutter nach Paris die Pflichten einer Hausfrau im väterlichen Hause übernehmen. Aus der Verbindung mit dem Hauptmann und Hofmeister der Edelknaben, Franz Armand d’Ippold wurde aus unbekannten Gründen nichts. 1784 heiratete sie  den Freiherrn Johann Baptist von Berchtold zu Sonnenburg (1736-1801) und übersiedelte nach St. Gilgen, wo sie seinen fünf unmündigen Kinder die Mutter ersetzt und drei eigene Kinder gebar. Ihr erster Sohn, Leopold Alois Pantaleon (1785-1840), verbrachte seine ersten zwei Lebensjahre in der Obhut seines Großvaters Leopold in Salzburg. Auch in Sankt Gilgen investierte Maria Anna von Berchtold zu Sonnenburg drei Stunden pro Tag in ihr Klavierspiel: Die Bediensteten, die ihr in einem adeligen Haushalt zur Verfügung standen, machten es möglich. 

Abseits der von ihr geliebten Tanz-, Musik- und Theaterveranstaltungen sowie des alten Bekanntenkreises in Salzburg schrieb sie zahlreiche Briefe an Vater und Bruder. Die Musik ihres Bruders blieb stets Mittelpunkt ihres Lebens. Wolfgang schätzte ihr Urteilsvermögen sehr, war sie doch neben dem Vater eine der wichtigsten Ansprechpartnerinnen in musikalischen, vor allem pianistischen Dingen. „Mit recht könntest du böse auf mich seyn! – wirst du es aber auch dann seyn, wenn du mit diesem Postwagen die Neuesten klavierstücke von mir erhaltest? – O nein! – dies wird hofentlich alles wieder ins geleise bringen.“ (Mozart an seine Schwester, 2. August 1788)

 

Nach dem Tod ihres Bruders kümmerte sich Maria Anna um sein künstlerisches wie persönliches Andenken: Sie gab im April 1792 Friedrich Schlichtegroll für seine Biographie des „Verstorbenen Ton-Künstlers Wolfgang Mozart“ über dessen Jugendjahre Auskunft, führte 1798-1807 einen Briefwechsel mit den Leipziger Verlegern Breitkopf & Härtel in Zusammenhang mit den Werken ihres Bruders und übergab 1820 ihrer Schwägerin Constanze Nissen (verw. Mozart, geb. Weber, 1762-1842) die noch in ihrem Besitz befindlichen Briefe Leopold Mozarts, die die Grundlage für die von ihrem Schwager Georg Nikolaus Nissen (1761-1826) 1828 herausgegebene umfangreiche Biographie Mozarts bildeten.

 

Nach dem Tod ihres Gatten im Jahr 1801 übersiedelte Maria Anna Freifrau von Berchtold zu Sonnenburg wieder nach Salzburg, wo sie ihre Pianistentätigkeit wieder aufnahm und auch wieder unterrichtete, obwohl sie finanziell ausgezeichnet versorgt war. "Alle Musiktalente, deren es mehrere und vortreffliche unter dem hiesigen Adel gibt, wetteifern den Konzerten des Fürsten Ernst von Schwarzenberg Geist, Leben und Mannigfaltiges Vergnügen zu geben. Zu den vorzüglichen musikalischen Talenten, die Salzburg besitzt, gehört Mozarts Schwester, die Witwe von Sonnenburg, die schon in ihren Jugendjahren, als sie mit ihrem Vater und Bruder reiste, die Bewunderung und den Beifall aller Kenner einerntete", berichtet Friedrich von Spaur 1805 in seinen Nachrichten Über das Erzstift Salzburg nach der Säkularisation.

 

Ab 1801 wurde sie das Ziel für verschiedenste Mozart-Verehrer, welche die Schwester Mozarts treffen wollten. Der erste, der sie besuchte, war der spätere Beethoven Freund und Autographensammler Baron de Tremont, die letzten waren wohl 1829, kurz vor ihrem Tod, das Ehepaar Novello.

 

Im Mai 1821 machte sie die Bekanntschaft mit ihrem Neffen, Franz Xaver Wolfgang Mozart (1791-1844). Am 29. Oktober 1829 starb sie, seit 1825 erblindet, in ihrer Wohnung im Barisanischen Haus (Sigmund-Haffner-Gasse 12) an „Entkräftung“ und wurde auf eigenen Wunsch in der Kommunegruft in St. Peter beigesetzt. „In meinem 70zigsten Lebensjahre genosse ich noch die unaussprechliche Freüde, den Sohn meines unvergesslichen Bruders das erstemahl zu sehen, und ihm, ganz nach dem Geschmack, seines Vaters spielen zu hören“ (Maria Anna von Berchtold zu Sonnenburg im Stammbuch ihres Neffen).

Im ehemaligen Bezirksgericht und Wohnhaus Maria Anna Mozarts in St. Gilgen, heute Mozarthaus (Ischlerstraße 15), erinnert ein Museum an Leben und Wirken von Mozarts Schwester.

 

LITERATUR:

Primärquellen:

Eine Wallfahrt zu Mozart. Die Reisetagebücher von Vincent und Mary Novello aus dem Jahre 1829. Hrsg. von Nerina Medici di Marignano und Rosemary Hughes, übers. von Ernst Roth. Bonn 1959.

Mozart. Die Dokumente seines Lebens. Gesammelt und erläutert von Otto Erich Deutsch (Neue Ausgabe sämtlicher Werke, Serie X: Supplement), Kassel u. a. 1961. Dazu auch der Ergänzungsband Kassel 1978.

Mozart. Briefe und Aufzeichnungen. Gesamtausgabe, gesammelt und erläutert von Wilhelm A. Bauer und Otto Erich Deutsch, 7 Bde, Kassel u. a. 1962-75.

Mozart, Maria Anna: „meine tag Ordnungen“. Maria Anna Mozarts Tagebuchblätter 1775-1783 mit Eintragungen ihres Bruders Wolfgang und ihres Vaters Leopold. Herausgegeben und kommentiert von Geneviève Geffray unter Mitarbeit von Rudolph Angermüller. Bad Honnef: K.H. Bock 1998.

Nannerl-Notenbuch. Vollständiges Faksimile aller erhaltenen Teile der Handschrift mit einer Einführung und einem Nachwort von Ulrich Leisinger. München: Strube Verlag 2010.

Sekundärliteratur:

Maria Anna Mozart. Facetten einer Künstlerin, hrsg. v. Eva Neumayr, Wien: Hollitzer, 2019 (Schriftenreihe des Archivs der Erzdiözese Salzburg, 20)
Rieger, Eva: Nannerl Mozart. Leben einer Künstlerin im 18. Jahrhundert. Frankfurt am Main: Insel 1992 (2. Auflage: Frankfurt am Main: Insel 2005).

Geffray, Geneviève: „Die Nannerl leidet durch den Buben nichts mehr“, in: Maria Anna Mozart. Die Künstlerin und ihre Zeit, herausgegeben von Siegrid Düll und Otto Neumaier. Möhnesee: Bibliopolis (2001), S. 11-48.

Kurzbiografie, verfasst von Dr. Johanna Senigl und Dr. Eva Neumayr (Internationale Stiftung, Mozarteum)